„Ich kann keine Noten.“

Damit meinen die meisten, dass sie keine Notennamen oder Notenwerte benennen können. Sowas lernt man schnell für den Musiktest in der Schule, aber vergisst es danach wieder. Die, die ein Instrument spielen, haben sozusagen Fahrpraxis, weil sie dauernd Noten für und auf ihrem Instrument lesen.

Es kommt gar nicht darauf an, „Noten zu können“! Ich kann ja auch keine japanischen Schriftzeichen. Es wäre verlockend, die Logogramme der Kanji-Schrift (die eigentlich chinesische Schriftzeichen sind) zu „können“. Einzeln nützen sie mir aber nichts, weil sie die japanische Sprache kodieren. Dafür müsste ich also Japanisch lernen. Genauso nützen Notennamen und -werte kurzfristig für den Musiktest und langfristig, wenn man sie anwendet und daraus ein Musikstück auf seinem Instrument spielt oder singt.

„Musik können“ finde ich viel attraktiver. „Musik können“ bedeutet für mich, dass jemand „sieht, was sie oder er schon kennt und damit wiedererkennt“ (Zitat von Goethe, wenn das Känguru nichts dagegen hat).

Ob man Richard Wagners Musik mag oder nicht, in seinen Opern lassen sich einzelne Personen, Stimmungen oder Gegenstände an ihrer individuellen Melodie erkennen. Die Leitmotiv-Technik löst bei den Zuhörenden eine Zufriedenheit aus: „Schon hab ich’s erkannt!“

Im 1. Aufzug der „Walküre“ fragt Sieglinde Siegmund: „Künde, Fremder, wo weilt dein Vater jetzt?“ Siegmund antwortet, dass er es nicht weiß, seit er bei einer Jagd von ihm getrennt wurde. Die Antwort erklingt ohne Worte im Orchester, indem die Wagnertuben samtweich das „Walhall“-Motiv spielen.

Foto: Marc Marchal auf Unsplash

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