Man muss nicht sofort beerdigen

„Wir fahren jetzt erstmal in Urlaub!“ Ich konnte es kaum glauben, dass die Tochter der Verstorbenen einfach wegfuhr. „Wir haben schon zwei Urlaube abgesagt, um am Krankenbett meiner Mutter zu sitzen. Nun brauchen wir Erholung. Lassen Sie uns in zwei Wochen in aller Frische telefonieren!“

Bei einer Erdbestattung, also mit Sarg, muss die Beerdigung innerhalb einer Woche geschehen sein. Viele Zugehörige wollen mit dem Tod des geliebten Menschen abschließen und denken traditionell an eine baldige Beerdigung. Doch bei einer Feuerbestattung, also mit Urne, hat man je nach Bundesland einige Wochen Zeit. Im Fall der urlaubenden Familie war genug Zeit, um in Ruhe die Trauerfeier zu planen.

Der verständnisvolle Bestatter unterstützte ihre individuellen Wünsche, sodass es eine umwerfend schöne, von der Familie selbstgestaltete Trauerkarte gab. Nennen wir es Selbstwirksamkeit, auch beim Blumenschmuck gab es in der Familie einen Experten, der diese Aufgabe kompetent übernahm. Last not least hatten die drei Enkel genügend Zeit, um ihre eigenen Erinnerungen aufzuschreiben. Während der Trauerfeier haben sie sie dann vorgelesen und ihren Dank an ihre Oma ausgedrückt.

Ein Todesfall kommt immer plötzlich. Entweder ist es ein unerwarteter Tod, oder die Zugehörigen sind nach einer langen Leidenszeit gegen alle Wahrscheinlichkeit erstaunt darüber, dass nun der Tod eingetreten ist. Müssen Arbeitspläne, Klausur- und Prüfungszeiten, Urlaube und Geschäftsreisen wirklich umgeplant werden? Oder kann man nicht in Ruhe einen Termin in ein paar Wochen finden, wo alle in Ruhe zusammenkommen, das vergangene Leben feiern und zusammen trauern?

Foto: Debby Hudson auf Unsplash

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