An der Garderobe gibt es ein Programmheft. Auch die Platzanweiserin hält ein Programmheft bereit, kurz bevor ich zu meinem Platz gehe. Soll ich eines kaufen?
Die Mitwirkenden könnte ich auf dem Besetzungszettel sehen, der ins Programmheft eingelegt ist. Doch hängt an einigen Wänden auch ein Rahmen mit dem Besetzungszettel und den aktuellen Umbesetzungen aus.
Im Programmheft steht der Ablauf eines Konzertes (z. B. Schubert-Serenade, Schumann-Klavierkonzert, Brahms-Sinfonie) oder die Zusammenfassung der Opernhandlung. Ein Programmheft ist aber keine bessere „Hörzu“ oder gar „Prisma“, sondern ist im programmatischen Sinne die Spielwiese der Dramaturgen. So gelangen Fremdbeiträge oder eigens geschriebene Originalbeiträge ins Heft, das durchaus wie ein kleines gebundenes Buch aussehen kann. So aufwendig gestaltete die Staatsoper Berlin ihre Programmhefte in den Neunzigern bis zu den 2000ern.
Zu meinen Schätzen gehört das Programmheft Nr. 94 des Wiener Burgtheaters, das im Hochformat auf zwei transparenten Seiten sich überlagernde Prosa- und Gedichtzitate zeigt. Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ (Schreibung im Original) besteht aus einem stetigen Kommen und Gehen von schweigenden Menschen in über 300 Rollen. Aus der Mitte des Programmheftes faltet sich deswegen ein seitenlanger Leporello mit den Rollen auf, die von mindestens zwei Dutzend Akteuren gespielt werden. Das ist schiere Überwältigung, und keiner sagt etwas.
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